Ein Kern von Strategie

Der Kriterienkatalog der SPÖ holt Kanzler Kern aus dem taktischen und direkt ins rechts-populistische Eck. Keine automatische Verweigerung gegenüber Strache samt neuer Brille und dem altbekannten Ingenieur Hofer, der sich gerade wundert, was alles möglich ist! Alarmierung bei den einen, Hinweis auf Normalisierung bei den anderen Beobachtern. Dabei kann, bei wohlmeinender Betrachtung, der Kern einer Strategie erahnt werden.Auch wenn es niemals gesagt wurde: die Tür zur altbekannten FPÖ ist vonseiten der Roten weit aufgemacht worden. Da spielt schon eine gehörige Portion Hoffnung mit. Dass nun scharenweise die „ausgegrenzten Ex-Rotwähler, die mit dem Kreuz bei der FPÖ nur Selbstverteidigung betrieben haben“, wieder in den Schoß der moralisch besseren Partei zurückkehren, bleibt abzuwarten.
Die Erpressbarkeit gegenüber der neuen „Kurz-Partei“ minimiert sich jedoch tatsächlich. Jetzt kann über die „politisch-moralische Implikation“ lange diskutiert werden. Ich werde in einem späteren Kommentar darauf eingehen. Aber vielleicht ist die taktische Herangehensweise gar nicht so krude. Und zwar aus folgender Überlegung:
Kern muss natürlich davon ausgehen, mit der SPÖ als stärkste Partei aus der Wahl im Oktober zu kommen. Wenn nicht, ist soundso alles Weitere hinfällig.
Kern braucht dazu einerseits Stimmenmaximierung, weit über den engsten Wählerkreis der Roten hinaus. Dazu verbreitert er sich thematisch in die rechte Mitte. Er gibt den Wirtschaftspraktiker, signalisiert Aufbruch und Reformwille. (Was natürlich Kurz auch tut!).
Er motiviert mit der unausgesprochenen Öffnung zu Strache und Co sicher ein paar Blauwähler, nicht mehr aus Fundamentalopposition diese zu wählen und tatsächlich wieder bei ihm das Kreuz zu machen. Möglicherweise überzeugt Kern auch einige Nichtwähler. Dem gegenüber stehen die Stimmen derer, die „taktisch wählen“ und damit eine FPÖ-Regierungsbeteiligung erschweren oder verhindern wollen. Diese Gruppe ist jetzt auf einen Schlag fort. Aber das macht nichts!
Denn Kern kann nicht davon ausgehen, ohne Koalitionspartner auszukommen. Und die Gruppe, die bisher Rot wegen der Abschottungspolitik gewählt habt ist gezwungen, sich nun den Grünen oder NEOS zuzuwenden. Denn Kern muss auch ein Interesse daran haben, dass diese Kleinparteien so stark wie möglich werden. Für mehr Verhandlungsspielraum nach der Wahl! Und das bietet eine Grüne-Partei mit, sagen wir, 12% besser als mit 9%. Analog dazu auch die NEOS. So wird ein „Kannibalisierungseffekt“, wie bei der Wien-Wahl 2015, zwischen Rot, Grün und Pink um die Verhinderung von der FPÖ in einer Regierung, verhindert.
Mag sein, dass diese Überlegung keine Rolle spielte. Ich denke allerdings, dass es nicht so ist!