Das „Politiktalent Kurz“

Geliebt von bundesdeutschen Medien, Hoffnungsträger bestimmter ÖVP-Kreise: Studienabbrecher Kurz wird nun, mangels abgeschlossener Berufsausbildung, eine Karriere als Politiktalent nahegelegt: auch von Journalisten. Doch nur, weil etwas behauptet wird, muss es noch lange nicht stimmen.

Im Auftreten eloquent, wenn auch immer ein wenig zu kleinbürgerlich in seinen Maturaanzügen. Inhaltlich eher undefinierbar, mit starker Schlagseite zum Populismus nach rechts. Sein undurchsichtiges Verhältnis zu autoritären Strukturen bleibt immanent und zeugt vom Sozialisierungsprozess in der Schüssel-ÖVP.
Im Flüchtlingskurs bester Marketingleiter für die FPÖ, als Integrationsminister unauffällig, rittert Außenminister Kurz am liebsten um effektvolle Foto- und Pressetermine, idealerweise mit ausländischen Medien.
Kurz ist kritisch gegenüber Merkel und der EU-Flüchtlingspolitik, verständnisvoll für Orbán, gnadenlos gegenüber der Türkei. Seine Sichtweise breitet er liebend gerne in diversen deutschen Talkshows aus, unter zustimmendem Jubel der Zuseher.
Irgendwer in der ÖVP-Zentrale muss Kurz bald einmal erklären, dass ihn Bundesdeutsche nicht wählen können und er bei einer allfälligen Wahl als ÖVP-Spitzenkandidat nicht gegen Merkel antritt.
Auch wenn Kurz aus dem schwarzen „Geilomobil“ (wer es nicht kennt: eine JVP-Kampagne zur Wienwahl 2010 in einer schwarzlackierten Zivilausgabe eines US-Armeefahrzeug, mit dem sonst nur Schwarzenegger und Puff-Besitzer herumfahren) gestiegen ist: immer noch steht Form und Präsentation bei ihm vor Inhalt. Blöderweise passt dann auch das nicht oft zusammen.
Ja, er hat mit der Schließung der Balkanroute einen Treffer gelandet, keine Frage.
Aber was sonst?
Rückschiebeabkommen fehlen weiterhin, die Integrationsagenden liegen ziemlich brach. Hat der Außenminister eine Meinung zu CETA, TTIP oder Jugendbeschäftigung? Und bei (zu) vielen Themen ist Kurz auf gleicher Linie wie der Bundeskanzler und somit in der Defensive.
Warum glauben also viele in der ÖVP (und auch in den Medien), dass der junge 30iger die Zukunftshoffung sein soll? Möglicherweise ist eine Zukunft von Sebastian Kurz in einer eigenen Partei viel realistischer, als dass er sich mit den renitenten Strukturen der ÖVP aus dem letzten Jahrhundert herumschlägt.