Abgesagter Grexit: aufgeschoben ist (leider) nicht aufgehoben!

Also hat sich der germanische Zuchtmeister auf 2 Rädern durchgesetzt: das Heil der Konservativen liegt immer noch einzig in der Austerität. Die Stimmen der Vernunft sind (noch) zu schwach. Und Sparvorgaben und Steuererhöhungen verwandeln Hellas nicht vom Entwicklungsland zu einem modernen Staat!

Kurz gesagt: mit dem neuen Sparpaket hält Europa Griechenland mit Mühe im Euro. Aber ob die Mini-Investitionsimpulse dem Land und seinen Einwohnern helfen, ist mehr als fraglich. Nordische Sturheit vernichtet womöglich eine ganze Generation, erklärt die Sippenhaftung für legitime politische Kultur. Was, bitte, hat ein/e 25jährige/r Bürger/in zum Desaster beigetragen und über welche Verhältnisse gelebt? Zu viele Windeln gebraucht Anfang der 90er Jahre? Nur ein völliger Idiot kann so argumentieren!
Ja, das Unheil nahm mit der Aufnahme Griechenlands in die Euro-Gruppe seinen Anfang. Wirklich jeder, der mit sehenden Augen 1992 durch Hellas reiste, konnte es erkennen: das Land war noch nicht in der (damals) EG angekommen. Eine verwahrloste Infrastruktur (wo bitte, durfte man sonst noch in Europa kein Klopapier in den Abfluss werfen???), mangelndes Steueraufkommen (hatte ein Haus kein Dach, war es steuerbefreit – daher die vielen Flachdächer!!!), wenige Produkte zum Handeln. Für jede noch so geringe Kleinigkeit Schmiergeld, das Land im Würgegriff von PASOK, Nea Dimokratía und Orthodoxer Kirche, Vetternwirtschaft, Lizenzsysteme für weite Strecken der privaten Wirtschaft (Busse, Taxis, Bäcker…), kurzum, die Griechen waren wirtschaftlich seit dem Ende der Militärdiktatur 1974 nicht wirklich weitergekommen. Griechenland war ein typisches Schwellenland, allerdings mitten in der europäischen Integration Für Parteigänger wurden Posten geschaffen, die zwar nicht notwendig waren, den Leuten aber Geld verschaffte und Dankbarkeit gegenüber der Partei generierte. Gezahlt wurde auf Pump, nämlich mit billigen Krediten. Aber es erfolgte keine Strukturreform, kein Aufbau effizienter Steuersysteme, keine wirkliche Modernisierung. Anstatt von außen mit sanftem Druck lenkend einzugreifen, besonders in der Phase vor der Aufnahme in den Euro, wollte vor allem Deutschland und Frankreich den geschönten und gelogenen Zahlen des Statistischen Zentralamtes (besetzt mit treuen Parteisoldaten) glauben. Das konnte wirklich eine ganze Weile gut gehen – dann kamen zuerst die Weltwirtschaftskrise, dann das Chaos.
Es ist müßig darüber zu diskutieren, ob nun hauptsächlich deutsche und französische Banken gerettet wurden, es ist auch absolut lächerlich, der Syriza-Partei die 40 jährigen Versäumnisse und Verfehlungen von PASOK und Nea Dimikratá vorzuwerfen. Nicht lächerlich ist allerdings der Vorwurf einer Verzögerungstaktik in den letzten sechs Monaten! Sparen hat im Fall von Griechenland nichts gebracht, anders als in Irland, dem Baltikum oder auf der iberischen Halbinsel – das ist einfach ein Fakt!. Austeritäts-Politik funktioniert (nur in sehr eingeschränkten Bahnen) in entwickelten Industriestaaten mit regelmäßigen Steuereinnahmen, einem flächendeckenden sozialen Mindeststandard und trotz Sparpaketen genügend Kaufkraft. Nichts davon trifft auf Griechenland zu! Dafür begann die Verwahrlosung der Gesellschaft, noch weniger Kaufkraft, noch weniger Steuereinnahmen – eine Abwärtsspirale, die den Boden niemals erreicht, da dieser flexibel mitsinkt!
Aus Griechenland muss ein moderner, westlicher Staat werden, mit allen Pflichten für die Bürger (auch den Reichen und der Kirche). Dafür erhalten sie im Gegenzug soziale Sicherheit, medizinische Betreuung und die Möglichkeit, das Leben jenseits von Existenzängsten zu meistern. Spardiktate werden dabei weder kurz- noch langfristig helfen.