Kann Kern Kanzler?

Im Moment sieht es nicht danach aus! Seit Wochen erscheint der Kanzler als Getriebener: von der Neuwahlsituation, von seinem eigenen Verteidigungsminister, von der Tatsache, dass Politik nun einmal keinem Unternehmen gleicht. Da ist noch viel Platz nach oben in den nächsten 94 Tagen.

Die Souveränität scheint dahin, die gewisse Leichtigkeit ist einer ungezielt wirkenden Rhetorik gewichen. Die Strahlkraft der Marke Kern hat sich endgültig abgenutzt. Willkommen in der mühevollen Ebene der Alltäglichkeit!
Mit den Ereignissen rund um den Rücktritt von Mitterlehner und dem „sanften Putsch“ des Sebastian Kurz in der ÖVP kam und kommt Kern irgendwie nicht klar. Er versteifte sich auf Nebensächlichkeiten, Ankündigungen im Parlament blieben solche (mit einer Ausnahme), die Strategie der Roten ist irgendwie steckengeblieben zwischen der Rechtfertigung wegen Annäherungen an die FPÖ und einem ungläubigen Staunen über die Kaltschnäuzigkeit eines knapp 31ig Jährigen in Sachen Parteiumformung.
Kern hatte seine Chance im Februar 2017 – und hat sie, aus welchen Gründen auch immer – vertan.
Nun, ein halbes Jahr später, klammert man sich im Kanzleramt und der Partei an „Erfolge“, die ebensolche der ÖVP sind. Beschäftigungsbonus, Aktion 20.000, die Uni-Finanzierung usw.
Das ist eine wirkliche Neuheit in den letzten zehn Jahren. Die ÖVP, obwohl immer noch mit vielen Inhalten nicht im 20ten, geschweige 21ten Jahrhundert angekommen, hat plötzlich einen klaren Kurs. Der ist zwar türkis und keiner kennt das Ziel, aber alle tun begeistert mit. Die Roten lungern irgendwie im Beleidigten-Eck herum, kritisieren die Neo-Liberalen und kreiseln um „Gerechtigkeitsthemen“, die ihnen viele einfach nicht abkaufen. Die sieben Punkte der SPÖ sind praktisch vergessen oder auch zu nebulos. Scharfe Ansagen in Richtung leistbarem Wohnraum oder der tatsächlichen Wahlfreiheit für Frauen außerhalb Wiens, zwischen Kinderbetreuung und/ oder Daheimbleiben zu wählen, fehlen. Möglich, das kommt noch in der heißen Phase des Wahlkampfs. Doch zurzeit steht der Buchstabe A im dazugehörenden Plan eher für „abgehängt“.
Kann Kern Kanzler bleiben? Das wird eine schwierige Aufgabe. Die Zeichen stehen gegen ihn. Eine kräftige Performance-Steigerung von ihm persönlich, aber auch von der Partei wird nötig sein. Die Zeit nach dem 15. Oktober wird es zeigen.
PS: Kann Kurz Kanzler? Hier habe ich eine klare persönliche Meinung: nein!