Das Ende des barocken Landesfürsten

Mit dem Rücktritt von Erwin Pröll besteht für Niederösterreich die Chance zum Aufbruch in tatsächlich moderne Zeiten. Mit einem riesigen Rucksack an Problemen!

Der Rücktritt Prölls war überfällig. Ebenso notwendig wären diese Aktionen von Pühringer und Häupl. Auch wenn es die ÖVP NÖ nicht erkennen will: das barocke System des allmächtigen Landesfürsten ist im 21.Jahrhundert einfach nicht mehr zeitgemäß. Ebenso wenig die Einteilung des Landes und seiner Menschen in Freunde und Feinde. Dem Freund gibt man, den Feind vernichtet man. Kein Wunder, wer nicht alles Freund sein möchte.
Beeindruckend natürlich, wie Pröll es geschafft hatte, in eine solche Position zu kommen. Er war ein Meister der Propaganda, ein Könner der „Ablenkung“ und „Sand in die Augen streuen“. Das ist sehr wohl eine Leistung, allerdings keine besonders positive.
Nach 25 Jahren kann ein Vergleich nicht schaden. Kulturell hat Pröll viel getan. Er kämpfte erfolgreich gegen sein Image als kultureller Ignorant, der nur ein Buch in seinem Leben gelesen hatte. Gleich einem barocken Fürsten umgab er sich mit Kunst, förderte auch kritische oder Minderheiten-Projekte. Somit steht Niederösterreich in diesem Punkt viel besser da als 1992. Na no na wurden Betriebsansiedelungen gefördert und das Ende des Eisernen Vorhangs positiv genutzt. Das taten alle anderen sieben Bundesländer (Wien kann hier nicht als Vergleich herangezogen werden) ebenfalls. Das ist keine Leistung, das ist Normalität.
Aber sonst?
In vielen Regionen Niederösterreichs ist die Nahversorgung heute schlechter als 1992, weil Greißler im Ort zusperrten und der Supermarkt erst im nächsten oder sogar übernächsten öffnete. Auch wenn die ÖVP NÖ meint, 5km Entfernung ist eh super und toll! Ebenso schlecht ist in vielen Regionen das medizinische Angebot, vom Haus- bis zum Facharzt.
Öffentlicher Verkehr findet in weiten Teilen des Bundeslandes nicht statt. Und wenn, dann zu Zeiten, wo niemand ihn nutzen kann. Schulkinder müssen etwa um 6 Uhr aufstehen, um in eine höhere Schule zu kommen. Dazu frieren sie im Winter an völlig unzureichend ausgeleuchteten Haltestellen, sofern es überhaupt eine gibt. Kindergärten schließen immer noch viel zu oft im Sommer und die Öffnungszeiten sind ebenfalls nahe an der Provokation. In weiten Teilen des Landes funktioniert der Mobilfunk wie im Jahr 1998 – nämlich schlecht bis gar nicht (z.B. im südlichen NÖ in der Buckligen Welt, aber sogar in der Thermengemeinde Bad Erlach ist an manchen Ecken der Empfang unter Sau!).
Von der Verschuldung jedes Niederösterreichers mit rund 6.000 Euro und dem tickenden Pulverfass der Frankenkredite sowie von Versilberung von Landesvermögen durch einen Musiklehrer, der nun Innenminister spielt, nicht zu reden. Nur Kärnten noch höher verschuldet. Zum Vergleich: In Wien liegt der Wert bei rund 4.000 Euro und wie schaut die öffentliche Infrastruktur in der Stadt aus?
Auch ein Fakt: die ÖVP NÖ stellte immer wieder das böse Wien in den Mittelpunkt ihrer diversen dümmlichen Vergleiche. Etwa die Arbeitslosigkeit in Wien oder die Mindestsicherung, die ja NÖ für österreichische Familien 2016 kürzte.
Nicht so gerne wurde in NÖ davon gesprochen, dass rund 260.000 Niederösterreicher in der Bundeshauptstadt arbeiten, weil es diese Jobs in NÖ nicht gibt. Und nicht einmal Park & Ride Angebote gab es bis vor kurzem in Niederösterreich in ausreichender Menge: erst die weitere Einführung von Parkpickerlzonen in Wien löste hier 2012 ein Umdenken aus. Von der Chuzpe Niederösterreichs, auf Kosten Wiens solle die U-Bahn nach NÖ verlängert werden, gar nicht zu sprechen.
All diese Dinge liegen in den Händen von Erwin Pröll. Denn er pochte auf seine Allmacht, kokettierte mit dem Mythos, alles im Land am Laufen gehalten und persönlich jedem Niederösterreicher die Hand geschüttelt zu haben. Die vielen Unzulänglichkeiten wurden durch eine perfekte Propagandamaschinerie überdeckt, die nur vom (Macht)Glanz Prölls und der Furcht vor seiner unermüdlichen Rache getragen wurde.
Seine Nachfolgerin wird noch ihre Freude an diesem Erbe haben!