Pendlerrechner: noch eine Provokation vom Finanzministerium

Im langen Schatten der Hypo erschien letzten Freitag die nächste Provokation aus dem BMF: der neue Pendlerrechner. Da stellt die Finanzbehörde u.a. nämlich fest, dass jeder gefälligst ein Auto zu benutzen hat – egal, ob ein öffentliches Verkehrsmittel schneller erreichbar ist. Und völlig unabhängig davon, ob sie/er überhaupt einen Führerschein besitzt.
Der neue Pendlerrechner des Finanzministeriums https://www.bmf.gv.at/pendlerrechner/ bildet die Grundlage für die Zuerkennung des Pendlerpauschales in den verschiedenen Ausformungen (klein/groß), abhängig von Kilometerentfernung und Zeitkomponente sowie der grundsätzlichen Zumutbarkeit/ Unzumutbarkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln. Nun sitzt der Teufel hier im Detail – und erweckt entweder den Anschein von Inkompetenz im Finanzministerium, oder reiner Schikane, um so wenig wie möglich Pendlerpauschale zuzugestehen. Folgend im Detail, warum es auf jeden Fall eine Provokation ist.

Wohnort des Pendelweges an mehr als 10 Tagen im Monat ohne Dienstwagen: die Thermengemeinde Bad Erlach im südlichen NÖ, an einer Bahnstrecke gelegen, die über Wiener Neustadt rund 56km nach Wien Meidling und dann weiter Richtung Hauptbahnhof führt. Arbeitsplatz ist in der Innenstadt von Wien, insgesamt ergibt der Pendlerrechner eine Wegstrecke von 63km samt durchschnittlichen Zeitaufwand von 79 Minuten.Ich lasse hier die Betrachtung, warum hier welche Pendlerpauschale gebührt, außer Acht, denn die wahre Chuzpe liegt in den Berechnungen des Ministeriums: Der Bahnhof Bad Erlach ist rund 500 Meter entfernt, gut zu Fuß oder mit dem Rad zu erreichen. Die Fahrtzeit nach Wiener Neustadt beträgt 10 Minuten, nach Wien Meidling lt. Fahrplan der ÖBB 40 Minuten (REX 2794). Der restliche Weg ist dann mit der U-Bahn und ein kurzer Fußweg.

Was zwingt nun der Pendlerrechner jedem Abfrager auf?
Eine Fahrtstrecke mit dem PKW(!) nach Wiener Neustadt, ohne den Zug zu beachten!

Keine Abfrage, ob der Arbeitnehmer einen Wagen besitzt oder überhaupt einen Führerschein. Auch die angegebene Zeit mit dem PKW auf eines der Parkdecks am Bahnhof Wiener Neustadt ist um diese Uhrzeit nur zu schaffen, wenn kein Parkplatz gesucht werden muss. Und diese Provokation, in einem Pendlerrechner öffentliche Verkehrsmittel zu ignorieren, ist in vielen Fällen nachprüfbar, ob im Industrieviertel, im Weinviertel oder sonst wo.

Wie kommt das Finanzministerium dazu, mir als Pendler ein privates Verkehrsmittel aufzuzwingen? Noch dazu, wo oftmals der PKW mühsamer, langsamer und vor allem umweltschädlicher ist? Abgesehen davon, dass in vielen Berechnungsfällen eine Zumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel beschieden, aber der Pendler in einen PKW gezwungen wird. Obwohl es z. B. eine sehr bequeme, zeitgleiche Bahnlinie gibt. Also Öffis nur teilweise zumutbar, oder was?

Und das die schnellste Möglichkeit gewählt werden muss ist kein Argument.
Denn solange ich kein Auto besitze und der Pendlerrechner das nicht weiß, ist ein Steckenabschnitt mit dem PKW auszuwerfen einfach nur eine riesige Verarschung! Kein Ministerium kann mich zwingen, mein Auto statt eines öffentlichen Verkehrsmittels zu benutzen und mir dann mitteilen, auf meinem Arbeitsweg ist die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar! (Wäre es nämlich unzumutbar, gebührte die viel höhere „Große Pendlerpauschal“, was dem Staat erheblich teurer käme – ein Zufall?)

Wirtschaftskammerpräsident Leitl (Stichwort: abgesandelt) meinte vor einigen Tagen, der Finanzminister hat seine Beamten nicht im Griff. Anhand dieses neuen Pendlerrechners sehe ich mich gezwungen, diesen Befund zu bejahen.
Inkompetenz oder boshafte Schikane – ich frage mich, was schlimmer ist!