Freiheit und Pippi Langstrumpf

Falsche und irrelevante Argumente werden auch bei zigfacher Wiederholung nicht wahrer oder relevanter. Das zeigt sich vor allem bei der Freiheitsdiskussion im Zuge der Nichtraucherregelung bzw. deren Aufhebung. Hier zeigt sich von Seite der Raucherunterstützung eine regelrechte Pippi Langstrumpf Sichtweise der Realität: „Ich mach’ mir die Welt, wie sie mir gefällt! Das ist einfach unredlich!

Zunächst eine Vorbemerkung. Die große Mehrzahl der Nikotinabhängigen will nicht eine Zigarette im Lokal rauchen, sie muss. Doch dieses körperliche und geistige Verlangen ist keine Entscheidungsfreiheit, sondern klassisch suchtbedingter Zwang.
Das führt mich direkt zur eigenartigen Argumentation der persönlichen Freiheitseinschränkung. Wo in weiten Teilen Österreichs können sich Eltern frei entscheiden, in welche weiterführende Schule ihr Nachwuchs geht. Es gibt nur die Hauptschule/ NMS. Zu einem Gymnasium führt ein mehrstündiger(!) Schulweg und die Plätze sind begrenzt.
Oder wie bleibt die Freiheit, aus mehreren Supermarktketten oder Bankinstituten zu wählen? Oftmals, vor allem in Regionen, wo ÖVP und auch FPÖ besonders oft gewählt werden, gibt es weder Supermarkt noch Bank innerhalb einer akzeptablen Entfernung von etwa 1.000m. Teilweise nicht mal innerhalb von 5 Kilometern.
Wo bleibt die persönliche Freiheit, an Tagen mit schlechten Witterungsbedingungen den PKW stehen lassen zu können und auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen? Denn Öffis gibt es außerhalb Wiens praktisch nicht in zumutbarer Frequenz.
Und wo bleibt die persönliche Freiheit, eine Maske zu tragen. Das ist seit einiger Zeit verboten. Obwohl Masken sicherlich weniger die Gesundheit aller schädigen als Zigarettenrauch!
Überhaupt: das Spannungsverhältnis von persönlicher Freiheit und gesellschaftlichen Verboten. Leute werden eingeschränkt im Verbot von 215km/h auf der Autobahn zu fahren, auch wenn Können und PKW-Fabrikat diese Geschwindigkeit erlauben würden. Es gibt keine persönliche Freiheit, um Mitternacht im Gemeindebau Schlagzeug zu üben oder Arien zu schmettern. Einem bekennenden Nudisten wird die Nacktheit in der Öffentlichkeit verboten. Oder eben die zu ausufernde Verhüllung. Ich kann, obwohl noch nie einen Unfall gebaut, nicht auf KFZ-Haftpflichtversicherung verzichten. Oder bestimmte andere Berufsgruppen. Manchen wird einfach zwangsweise vorgeschrieben, ihr Geld in Pensionskassen einzuzahlen. Das ist persönliche Freiheit?
Vor allem unter Schwarz und Blau wird jedem Bürger die persönliche Freiheit auf Anonymität im öffentlichen Raum massiv eingeschränkt mit den idiotischen Überwachungsplänen.
Aber nur bei den Rauchern wird auf dieser „Einschränkungen der persönlichen Freiheit“ herumgekaut. Statt an die Gesundheitsschäden für sie selbst und Nichtraucher zu denken, schwadronieren die Apologeten der heiligen Tschick von der um sich greifenden „Verbotskultur“! Das könnte auch auf alle oben angeführten Beispiele gelten.
Lassen wir uns nicht für blöd verkaufen: überwiegend jene Gruppen, die sehr schnell und leichtfertig Verbote einführen wollen, schreien gerne bei Bereichen, die ihnen selbst unangenehm sind, sofort „Verbotskultur“.
Die Debatte über Nichtrauchen im Lokal betrifft ökonomische Überlegungen von Gastronomen und die Abhängigkeit von 80% der Zigarettensüchtigen. Es geht um Gesundheitsprävention und einen stattfindenden gesellschaftlichen Wandel mit Ächtung des Glimmstängels.
Aber es ist keine Debatte über persönliche Freiheitseinschränkung oder die bei rechten Gemütern so gern bemühte „Verbotskultur“. Es ist die Abwägung zwischen dem Recht auf eine Tschick und dem Recht auf saubere Luft im Lokal. Und wird dabei eine Person (Nichtraucher) übermäßig durch die andere belästigt, hört die Freiheit für den Raucher auf. Wie beim Raser, dem Schlagzeugspieler, dem Nudisten, der Burka, dem Waffennarren uvm. Das gefällt den Rauchern nicht. Was klar ist. Aber es ändert nichts an der grundlegenden Tatsache.
Auch die extrem rechtslastige Regierung wird mittelfristig den Nichtraucherschutz nicht hinwegreden können mit dem lächerlichen Argument eines Koalitionsvertrags, der Machterhalt über die Gesundheit der Bevölkerung stellt.
PS: Das Argument, niemand müsse in ein Raucherlokal gehen, ist eine Frechheit. Abgesehen vom Personal; das ist eine tatsächliche Einschränkung in der persönlichen Freiheit des Nichtrauchers, irgendein Lokal auswählen zu können. Man richtet der Mehrheit einfach aus, dass gastronomische No-Go-Gebiete schon in Ordnung sind. Hauptsache, die Freiheit der Raucher ist nicht bedroht!