Wieso war es in den 70er Jahren anders?

Flächendeckender Terrorismus von links und rechts, atomare Bedrohung, Kriege im Nahen Osten, Erdölkrise, hohe Inflationsraten, Flugzeug- und Personenentführungen, teilweise immer wieder aufkeimender Nazi-Scheiß. Und doch war es völlig anders zu heute.

Bombenanschläge in Bologna (Brigade Rosso) und London (IRA), Terror in Paris, Wien, RAF-Terror in Deutschland. Dazu Kriege, resultierend daraus die Erdölkrisen (Ältere erinnern sich noch an die Wochentags-Kleber an den Windschutzscheiben der Autos, die anzeigten, an welchem Tag nicht gefahren werden durfte). Die Inflation war hoch und trotz hoher Sparbuchzinsen gab es ebenfalls einen Realverlust. Über allem lag die Gefahr einer atomaren Auseinandersetzung zwischen der UdSSR und der NATO.
Aber statt eines Rechtsrucks, wie heute, schwankte fast der komplette (freie) europäische Kontinent nach Links, die Sozialdemokratie wurde teilweise mit absoluten Mehrheiten ausgestattet.
Doch wieso? Waren die Österreicher damals weniger an Sicherheit und Ordnung interessiert? Hing der Terror der Nazis noch zu frisch im Gedächtnis, nicht (schon) wieder nach einem starken Mann zu rufen? Dabei gab es den „starken“ Mann ja, in der Gestalt des heute so verklärt bewerteten Bruno Kreisky.

Ich denke, es lag an zwei Dingen, speziell in Österreich:
Einerseits hatten die Österreicher die Schnauze voll von der erzkonservativen ÖVP, die keinerlei nur irgendwie geartete Modernisierung umsetzten wollte (klingt doch irgendwie vertraut, oder?).
Andererseits ging es den Menschen mit jedem Jahr besser, ungeachtete der schlimmen Dinge, die um sie herum, und auch mitten zwischen ihnen, stattfanden. Ja, da war auch verdammt viel Steuergeld drinnen. Aber die Aussichten waren für fast alle gut, wenn nicht sogar sehr gut. Ökonomisch wie auch gesellschaftlich!

Heute sieht das anders aus. Viele fürchten, ob begründet oder nicht, dass sich ihr ökonomisches Leben oder das ihrer Kinder eher verschlechtern wird. Löhne und Einkommen stagnieren. Die untere Mittelschicht sieht sich ohne Transferleistungen in die Armut gedrängt. Die Umwälzungen durch Digitalisierung sind für viele einfach nicht fassbar. Ebenso der völlige Umbau der Arbeitswelt. Das erzeugt Angst. Angst führt zu (Futter-)Neid. Neid führt dazu, allzu leicht manipuliert zu werden, wenn irgendwer verspricht, den Neid zu befriedigen!

1976 waren Menschen vielleicht neidisch auf den neuen Farbfernseher der Nachbarn. Aber man wusste, ein bissl sparen und im Wohnzimmer steht bald auch so einer. Heute sind Menschen neidisch auf Mindestsicherungsbezieher. Nicht, weil sie irgendwann die Mindestsicherung beziehen wollen, sondern weil sie glauben, dadurch irgendwie selber weniger zu bekommen.
Und diese Irrationalität fehlte in den 70er Jahren, deshalb waren die Menschen auch gelassener. Bei aller Gefahr, die nicht weniger war als 2016!